Interview:
Emerging Trends in Real Estate 2022

Zum 19. Mal in Folge hat PwC gemeinsam mit dem „Urban Land Institute“ die Entscheider in Immobilienwirtschaft, Investmentbranche und Finanzierung zu den wichtigsten Entwicklungen Trends in der Immobilienbranche befragt.

 

Wir haben uns den jährlichen Report angeschaut – was aus der Sicht von Coros 2022 wichtig wird. Leonhard wirft einen Blick nach vorne:

 

Coros eröffnet ein Büro in London, und gleichzeitig rückt London in der aktuellen Emerging Trend-Studie von PwC auf Platz 1. Gutes Timing, oder?

Natürlich passt das sehr gut zusammen. Und vielleicht beflügelt uns das nochmal zusätzlich. Allerdings blicken wir auf längerfristige Entwicklungen bei unseren Investmententscheidungen, die auch von PwC in der Studie gespiegelt werden. Schon im vergangenen Jahr lag London hier hinter Berlin auf Platz 2. Nun haben die beiden Spitzen-Cities in Europa, Berlin und London, in diesem Jahr die Plätze getauscht. Die Studie bestätigt uns somit in dem Punkt, dass wir beide Städte für besonders inspirierend und spannend halten. London und Berlin erfinden sich immer wieder neu und profitieren gleichzeitig von starken demographischen und urbanen Trends. Sie bieten damit enormes Investmentpotenzial – wie auch der drittplatzierte Standort im Ranking, Paris.

Was überzeugt Sie speziell an London?

London begeistert uns aufgrund dieser Mischung aus internationalem Finanzplatz, aufstrebendem Tech Hub und Life Sciences-Standort – letzteres ein noch relativ neuer Trend an der Themse. Hinzu kommt das lange historische Erbe und vielfältige Kultur- und Bildungsangebot der Metropole. Außerdem befinden wir uns nach den Brexit-Turbulenzen wieder an einem Punkt, wo die Londoner nach vorne schauen. Es herrscht Optimismus. Über die herausragende Stellung im Finanzsektor müssen wir nicht reden. Hier haben in den vergangenen Jahren nicht wenige zum Teil den Untergang Londons herbeigeschrieben. Die Realität, das wissen wir bei Coros, ist eine andere.

Ein weiterer Punkt ist die wichtige Transformation der Branche zu einer nachhaltigen. Großbritannien hat hier eine der fortschrittlichsten Gesetzgebungen im Gewerbeimmobilienbereich, etwa beim Thema Gebäudesanierungen und Green Refurbishments. London ist mit rund 3.000 Gebäuden mit nachhaltigen Zertifizierungen bereits einer der weltweiten Leader in Bezug auf die Umsetzung von ESG-Kriterien. In London sitzen wir nun direkt am Puls neuer Ideen und Innovationen. Von diesem Know-how profitieren dann auch unsere Stakeholder und Projekte in unseren weiteren Kernmärkten außerhalb des Vereinigten Königreichs.

Wo sehen Sie neben London und Berlin weitere Investment-Hotspots in Europa?

Spannend ist, dass die fünf Städte, die wir in den Fokus nehmen, in der PwC-Studie in den Top 10 des Rankings sind – und dies auch nicht erst in diesem Jahr. Neben London und Berlin sehen wir vor allem München, Paris und Madrid als spannende Locations an, die Trends setzen und mit denen wir uns gerne beschäftigen.

Diese Standorte weisen sehr gute demographische sowie ökonomische Fundamentaldaten auf.  Außerdem überzeugen sie mit ihrem Kultur-, Freizeit- und Bildungsangebot. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend nicht umgekehrt, sondern die Resilienz dieser Städte unterstrichen. Wir sind überzeugt, dass sie langfristige Gewinner sein werden und künftig noch mehr in einer eigenen Liga spielen werden.

Wir sehen daher an diesen Standorten ein urbanes Potenzial sowie eine daraus resultierende langfristig hohe Nachfrage nach nachhaltigen und urbanen Mixed-Use-Immobilien. Sowohl auf der Investmentseite als auch auf der Finanzierungsseite dürften Nachhaltigkeit und Urbanität – verkörpert durch eine zeitgemäße Nutzungsmischung – zu zentralen Kriterien in den nächsten Jahren werden. Schließlich macht die Immobilienbranche aktuell eine umfassende Transformation durch – und nur diese mischgenutzten Immobilien werden zukunftssicher aufgestellt sein.

Sie haben das Thema Nachhaltigkeit angesprochen: Viele Immobilienmanager geben nun an, dass in der Pandemie die Bedeutung von Nachhaltigkeit und eine gute ESG-Performance in ihren Investmentstrategien wichtiger geworden ist – gleichzeitig aber auch für sie eine der größten Herausforderungen darstellt. Wie ordnen Sie das ein?

Nachhaltigkeit und der ökologische sowie soziale Impact unserer Projekte sind Themen, die uns als sehr jungem Unternehmen am Herzen liegen. Dass ihr Stellenwert einen zusätzlichen Schub bekommen hat, ist eine wichtige und notwendige Entwicklung. Schließlich ist die Immobilienbranche einer der größten Treibhausgasemittenten weltweit. Viele Manager preisen laut Umfrage einen „brown discount“ inzwischen ja fest in ihren Investmentstrategien mit ein – das zeigt, dass das Thema nicht mehr länger nur ein „nice to have“ ist.

Klimaneutralität und die ESG-Performance einer Immobilie sind bereits erfolgskritische Aspekte bei Ankaufs- oder Mietentscheidungen. Wir registrieren gerade von Mieterseite, dass die Nachhaltigkeit der Flächen für sie wichtige Entscheidungsfaktoren bei Flächensuche geworden sind – aus intrinsischen Motiven, aufgrund von regulatorischen Vorgaben oder im Rahmen des Employer Branding. Dabei sind gerade soziale Aspekte wie das Well-Being der Nutzer wichtig geworden. Die Nachfrage nach grünen Mixed-Use-Immobilien wird daher deutlich steigen – das Angebot im Neubausegment kann damit aber nicht Schritt halten. Das eröffnet großartige Chancen für Green Refurbishments, insbesondere an jenen Standorten, die es in der aktuellen Umfrage in die Top 10 geschafft haben.

Ziehen Sie Refurbishments dem Neubau vor?

Wenn wir im Immobiliensektor über das Erreichen der Klimaneutralität z.B. in Europa sprechen, kommen wir nicht am Gebäudebestand vorbei. Bestandsimmobilien erfüllen derzeit nur teilweise nachhaltige Kriterien, wie regulatorische Vorgaben hinsichtlich der Energiebilanz oder Treibhausgas-Emissionen. Auch wenn natürlich Neubau mit nachhaltigen Baustoffen seine Berechtigung hat, ist eine Lebenszeitverlängerung für eine gut umzugestaltende und nutzbare Bestandsimmobilie dem Komplettabriss auf Grund der besseren Energiebilanz wenn möglich immer vorzuziehen.

Mit unserem intensiven Manage-to-Core-Ansatz sind wir dafür sehr gut aufgestellt. Wir zielen darauf, genau diese Potenziale zu nutzen und unseren Stakeholdern zugänglich zu machen. Dafür braucht es smarte Konzepte und einen attraktiven, urbanen Nutzungsmix, der auch in den Urban Communities auf Anklang und Akzeptanz stößt. Das setzt intelligente Planung und intensive Arbeit bei der Umsetzung voraus, wird aber von immer mehr Investoren honoriert und zahlt sich langfristig aufgrund eines hohen Nachnutzungspotenzials aus.

Klar ist, dass die Umsetzung nachhaltiger Mixed-Use-Immobilien komplex ist und Investoren hier die richtigen Partner an ihrer Seite benötigen. Der Fokus darf dabei jedoch nicht allein auf ökologischen Kriterien wie Energieeffizienz oder den CO2-Emissionen liegen. Der soziale Impact einer Immobilie auf ihr Viertel muss genauso in den Planungen und später im Asset Management Berücksichtigung finden. Nur, wenn ein Projekt sich in seinen Standort einfügt und bei Communities vor Ort auf Akzeptanz stößt, kann es langfristig und damit nachhaltig funktionieren.