Lockdown, Home-Office und Online-Handel einerseits; die neu entstandenen Anforderungen an ESG-konforme Gebäude andererseits: Die vergangenen drei Jahre haben mit der Corona-Pandemie und der in diese Zeit fallende ESG-Regulierung wie ein Brennglas gewirkt und bereits sichtbare Trends noch einmal stark beschleunigt. Dabei den Themenüberblick zu behalten und die richtigen Entscheidungen auf Unternehmens- und Objektebene zu fällen, fordert neue Herangehensweisen.
Diese Herausforderungen können laut Katharina Martin, Head of Commercial Asset Management, nur durch intensive und regelmäßige Kommunikation mit allen Stakeholdern erfolgreich gemanagt werden. Damit einher geht ein Rollenwandel: Das Asset Management wird zum strategischen Partner und Berater.
Frau Martin, was hat sich im Asset Management in den vergangenen Jahren verändert?
Wenn Sie vor drei bis fünf Jahren eine attraktive Immobilie im Bestand hatten, dann war es weniger komplex im Vergleich zu heute, einen passenden Mieter zu finden. Märkte wie Berlin waren ausgesprochene Vermietermärkte. Nicht selten wurden Mietverträge für zehn Jahre unterschrieben. Der Vertrag konnte beiseitegelegt werden und auch die laufende Betreuung des Mieters erforderte einen nicht so hohen Aufwand. Inzwischen haben sich Bedürfnisse der Mieter stark ausdifferenziert. Diese benötigen Future-of-Work-Konzepte. Sie wissen häufig um ihren Bedarf an neuen Raumkonzepten – es fehlt aber an konkreten Vorstellungen, wie zum Beispiel die Mitarbeiter das Büro des Unternehmens im Sinne des Corporate Branding als attraktiven Treffpunkt im Unternehmen und Arbeitsort annehmen. Das bietet uns interessante Ansätze, mehr ins Gespräch zu kommen und sich als Lösungsanbieter zu profilieren. Gleichzeitig sind die einzelnen Marktsegmente heute sehr dynamisch, dass sich auch innerhalb einer fünfjährigen Mietphase der Flächenbedarf verändern kann. An erster Stelle steht auf die veränderten Bedarfe rechtzeitig und individuell eingehen zu können, dabei können auch Teilflächenkündigungen ein Element sein, um die nötige Flexibilität auf beiden Seiten zu schaffen. Dabei nehmen wir mittlerweile als Asset Management immer stärker eine koordinierende Schlüsselfunktion ein. Die proaktive Kommunikation mit externen und internen Stakeholdern ist daher noch viel wichtiger geworden.
Der Job eines Asset Managers fängt aber auf Grund dieser sehr komplexen Bedürfnisse schon vor dem Ankauf an. Sie müssen eine Strategie erarbeiten, wie die anzukaufende Immobilie im Markt positioniert werden kann, um Mietern einen besonderen Anziehungspunkt zu bieten. Dazu bedarf es einer detaillierten Makro- und Mikroanalyse des Standortes, der Konkurrenz und der Bedürfnisse potenzieller Nutzer. Mit einem schlüssigen Gesamtkonzept machen Sie das Objekt für Mieter und Investoren interessant. Gebäude und Quartiere brauchen heutzutage neben einer hochwertigen Architektur mit einem spannenden Designkonzept auch ein gutes Marketing. Dazu gehört im Sinne einer umfassenden Customer Journey die Schaffung einer passenden Marke, eine gelungene Adressbildung und ein guter Internetauftritt: Von der ersten Internetrecherche über die Lage des Objekts bis zum Ankommen in den Räumlichkeiten sollte alles stimmig sein und einer einheitlichen Linie folgen. Das Asset Management ist damit auch viel strategischer und vielschichtiger geworden.
Wie verschaffen Sie sich als Asset Managerin den Überblick, was die Mieter und ihre Branchen genau nachfragen?
Das Ohr immer am Puls der Zeit haben, denn dieser ändert sich schnell. Heute gilt es, regelmäßig und intensiv mit den Mietern und generell mit dem Markt – also neben Maklerhäusern oder Branchennetzwerken durchaus auch mit der Konkurrenz zu kommunizieren, um sich ein Bild über die Bedürfnisse und die jeweiligen Herausforderungen zu verschaffen. Wie entwickeln sich Flächenbedarfe auf kurz-, mittel- und langfristige Sicht, welche Art von Arbeitsumfeld wird insbesondere von den High Potentials in der jeweiligen Branche nachgefragt? Wenn Sie wissen, dass ein Mieter sich im Flächenzuschnitt perspektivisch verändern oder innerhalb des Gebäudes vergrößern will, können Sie ihm bei einer freiwerdenden Fläche im Objekt oder in einem der anderen Objekte aus dem eigenen Portfolio ein interessantes Angebot machen.
Das Thema ESG trägt auch zur Veränderung auf dem Immobilienmarkt bei. Welchen Einfluss hat es auf das Asset Management?
Ein nachhaltiges Asset Management muss heutzutage dieses Thema inhaltlich in allen Marktphasen der Immobilie integrieren. Das fängt bereits beim Ankauf mit einer ESG-Due-Diligence an: Welche Investitionen sind erforderlich, um das Objekt ökologisch auf Höhe der Zeit zu bringen? Mit welchen Maßnahmen kann im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit der Immobilie das Well-Being der Nutzer gefördert werden? Auch die Mieter sind hier viel fordernder als noch vor einigen Jahren. Sie fragen zunehmend nach, wie hoch der CO2-Fußabdruck des Gebäudes ist, in welches sie einziehen. Sie haben also genauso wie wir auch ein Interesse an einer Verbesserung der ökologischen Performance des Gebäudes, weil sie das ihren Stakeholdern aufzeigen wollen oder gar reporten müssen.
In diesem Zusammenhang sind Green-Lease-Vereinbarungen wichtig, die von unseren Mietern in der Regel akzeptiert werden. Auch das hat sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren gewandelt. Um diese Klauseln mit Leben zu füllen, benötigen Sie eine zeitgemäße digitale Datenerfassung und -auswertung, aber auch den stetigen Austausch mit den Mietern. Gemeinsam gilt es, Themen und Optimierungspotenzial auf Basis der Datenauswertungen zu definieren. Automatische Datenübertragung in Data Intelligence Plattformen ermöglicht es uns, Verbräuche und somit die Performance des Gebäudes quasi "live" zu tracken und somit viel schneller auf Probleme zu reagieren und die Assets energieeffizienter zu gestalten.
Generell ist eine gute und vergleichbare Datengrundlage Voraussetzung, um den Investoren anhand von Green-Capex-Plänen zeigen zu können, wie wir die Gebäude für einen künftigen Exit mittels „Manage to green“ wertsteigernd vorbereiten. Momentan stehen vor allem die energetischen Verbräuche und der CO2-Fußabdruck der Immobilie im Vordergrund. Aufgrund der wachsenden Bedeutung der „Circular Economy“ wird bei der Datenerfassung aber auch die Betrachtung der Baustruktur wichtiger. Der gesamte Lebenszyklus der Immobilie rückt in den Blick, etwa die Potenziale für Recycling bzw. die Verwendung recycelten Materials bei Refurbishments oder Sanierungen.
Neben dem “E” in ESG rückt zunehmend auch das “S” in den Fokus. Die Öffentlichkeit, aber auch zunehmend die Investoren wollen wissen, wie die Projekte bzw. Objekte von Immobilieninvestoren zu einem sozial ausgewogenen Quartier beitragen. Unter dem Aspekt der Governance wird hinterfragt, welchen Beitrag Mieter von bestimmten Branchen zu einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung beitragen oder ob der Impact gar negativ ist. Auch hier stehen Sie im Asset Management vor neuen Anforderungen, die vor allem mit der Einführung der EU-Taxonomie im Frühjahr 2021 an Bedeutung zugenommen hat.
Am Ende bringen die Mieter den Ertrag. Diese stehen heute vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund Nachhaltigkeit und Digitalisierung zukunftsfähig auszurichten und High Potentials für sich zu gewinnen und zu halten. Wo sehen Sie da die Rolle des Asset Managements?
Wir sind Partner und Berater des Mieters. Wir helfen ihm, die gesteckten Ziele mit uns zu erreichen – etwa bei seiner Flächenkonzeption. Diese sollte idealerweise den Markenkern des Unternehmens und seine Philosophie widerspiegeln, gleichzeitig aber natürlich auch eine kreative und attraktive Arbeitsatmosphäre schaffen, um bestmöglich Innovationen und die Erreichung der Geschäftsziele zu unterstützen. Gerade kleinere und jüngere Unternehmen haben hier einen gewissen Beratungsbedarf, etwa, welche Arbeitswelten oder wie viele Allgemeinflächen notwendig sind. Auf Basis detaillierter Fragen und einer Analyse des Bedarfs des Mietinteressenten erstellen wir gemeinsam mit externen Architekten und ggf. auch Workplace-Consultants passende Flächenkonzepte für die Mieter. Dabei wird auch wieder die enge Schnittstelle zum Thema ESG deutlich. Gemeinsam mit unserem Inhouse-ESG-Bereich entwickeln wir für Mieter darüber hinaus spannende Angebote:
E-Mobility-Konzepte von Carsharing bis zu E-Ladesäulen für die Autos und E-Bikes, Fahrradgaragen mit Duschmöglichkeiten, die von den Fahrradpendlern genutzt werden, bevor sie ins Büro gehen und ausreichend Grünflächen am und um das Gebäude. Ebenso gewinnen Verweilmöglichkeiten wie Sitzbereiche zum gemeinsamen Lunch und für Meetings eine größere Bedeutung. Auch Leisure-Möglichkeiten von der Tischtennisplatte im Büro über Fitnessstudios und Gastronomie in der Nachbarschaft werden immer bedeutender. Außerdem achten wir auf einen Mietermix, der zusätzlich attraktive Angebote im Quartier oder in der Nähe bereithält. Konkret: Welches von den Mietern nachgefragte Dienstleistungsangebot fehlt vielleicht im Umfeld des Objektes, und kann dann in der Immobilie umgesetzt werden? Gesundheitsthemen von Fitness bis Achtsamkeitstraining sind hier ebenso wichtige Stichworte. Über dieses Thema schließt sich auch wieder der Kreis zum Gesamtkonzept für das Objekt: Wie positioniere ich meine Immobilie als Marke am Markt.
Frau Martin, der Job einer Asset Managerin ist viel komplexer und herausfordernder geworden. Was fasziniert Sie an diesem Beruf?
Er ist damit auch abwechslungsreicher und noch strategischer geworden, und das schätze ich sehr. Heute können wir als Asset Management Team eines der wichtigsten Transformationsvorhaben der Branche zur emissionsfreien Immobilie selbst vorantreiben. Hier täglich dazuzulernen und mich sowie unser Portfolio weiterzuentwickeln, um gemeinsam im Team mit internen wie externen Partnern noch erfolgreicher zu werden, treibt mich an.